“Die Befreiung der Schweiz” (Christian Müller & Daniel Straub)
Limmat Verlag, Zürich 2012
Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen erhalten alle BürgerInnen CHF 2500 pro Monat. Damit sollen sämtliche Grundbedürfnisse gedeckt werden, und zwar ohne Bedürftigkeitsprüfung oder Arbeitszwang. Doch wer würde da noch arbeiten? Und wer soll das bezahlen?
Diese Fragen versuchen die Unternehmer Christian Müller und Daniel Straub in ihrem gemeinsamen Werk Die Befreiung der Schweiz zu beantworten - und sie machen deutlich, dass ein Grundeinkommen keineswegs utopisch ist, sondern vielmehr eine Chance für die Schweiz darstellt.
Inhalt
Zu Beginn der Lektüre führen die Autoren anhand einer Zeitreise in die Idee des Grundeinkommens ein. Im Jahre 2050 wird allen BürgerInnen “bedingungslos ein Minimum an Geld” (S. 7) zugestanden, um in Würde leben zu können. In den letzten 40 Jahren habe sich nämlich die Arbeitswelt verändert und zahlreiche Arbeitsstellen wurden durch Maschinen und Computer ersetzt. Dadurch wurden immer mehr Menschen (erwerbs-)arbeitslos. Es gelte nun, “die Errungenschaften einer hochproduktiven und automatisierten Wirtschaft zu nutzen” (S. 8) und die Menschen aus dem Hamsterrad zu befreien.
Zurück in den Gegenwart diskutieren Müller und Straub einen zentralen Aspekt der Grundeinkommensdebatte: die Finanzierung. Mit Hilfe einer kleiner Rechung legen sie dar, dass die nötigen finanziellen Mittel bereits grossmehrheitlich vorhanden sind. Die Beträge der Sozialversicherungen könnten bis zur Höhe des Grundeinkommens gedeckt werden, zudem soll eine Steuerreform zur Finanzierung beitragen. Welche Steuern davon betroffen sein sollen, lässt das Autoren-Duo offen. In Frage käme eine Reform der Konsumsteuer, wodurch “Konsum anstelle von Arbeitsleistungen” (S. 67) besteuert würde. Es wäre aber auch möglich finanzielle Transaktionen zu besteuern.
Der Einwand, dass mit einem bedingungslosen Grundeinkommen niemand mehr arbeiten würde, liegt gemäss den Autoren einem “pessimistischen Menschenbild” (S. 75) zugrunde. Zudem seien Anreize zum Arbeiten immer noch vorhanden, denn mit einem Grundeinkommen wären ja erst die Grundbedürfnisse gedeckt. Neben dem Geld verweisen die Autoren auf andere gute Gründe um zu arbeiten: Sinn, Anerkennung oder Freude an der Tätigkeit. Mit dem Grundeinkommen hätten die Menschen die Möglichkeit, vermehrt “aus einem inneren Antrieb aktiv zu werden” (S. 77).
Daraufhin besprechen die Autoren die möglichen Folgen für die Wirtschaft. Da kaum ökonomische Zukunftsmodelle existieren, stellen Müller und Straub verschiedene Vermutungen an, wie sich die Ökonomie mit einem Grundeinkommen verändern könnte. So könnte es bspw. sein, dass die Wirtschaft schrumpft. Die Eigeninitiative hingegen, “der Sauerstoff für eine vitale Wirtschaft” (S. 88), würde vermutlich steigen. ArbeitgeberInnen müssten sich natürlich die auf die Grundabsicherung der Arbeitnehmenden einstellen und entsprechend für attraktive Jobs sorgen. Grundsätzlich geben sich die Autoren überzeugt, dass “das Grundeinkommen zu einer Wirtschaft führt, die nach wie vor in der Lage ist, die materiellen Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen” (S. 91).
Abschliessend stellen Müller und Straub Überlegungen an, wie man das bedingungslose Grundeinkommen umsetzen könnte. Die im April 2012 gestartete Volksinitiative wird dazu einen Meilenstein darstellen. Eingeführt soll es in Schritten werden, damit sich “Wirtschaft und Gesellschaft [...] langsam an die neuen Regeln gewöhnen” (S. 113) können. Momentan gehe nicht darum, sämtliche mögliche Effekte zu klären. Vielmehr stellt sich gemäss den Autoren die grundsätzliche Frage: Wollen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen - ja oder nein?
Kommentar
Mit Die Befreiung der Schweiz bekommt die Eidgenossenschaft eine persönlich zugeschnittene Einführung in eine Idee, die Wirtschaft und Gesellschaft zum Positiven hin verändern könnte: das bedingungslose Grundeinkommen.
Hervorzuheben gilt, dass Müller und Straub nicht nur die Mechanismen des Grundeinkommens erklären, sondern immer wieder auf dessen gesellschaftliches Potential verweisen. So würde ein Grundeinkommen den “Zugang zur Gesellschaft” (S. 12) garantieren, zur “Emanzipation der Arbeitnehmenden” (S. 81) beitragen und den nötigen “Freiraum” (S. 98) für Eigeninitiative bieten.
Auch wenn die Autoren die Finanzierung verhältnismässig ausführlich behandeln, geben sie sich realistisch und gestehen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt wirtschaftlich gesehen keine zuverlässige Prognosen existieren. Deshalb sei “der Bedarf nach Forschung zum Grundeinkommen im Bereich Ökonomie” (S. 66) gross.
Erfrischend für die Lektüre wirken die zahlreichen Interviews mit Personen aus Kultur, Politik und Wirtschaft. Sie verschaffen einen Einblick in verschiedene Gesellschaftsbereiche, die mit der Diskussion zum Grundeinkommen tangiert werden, und bieten Raum für kritische Überlegungen.
Fazit
Mit rund 110 Seiten erklären die Autoren Müller und Straub kompakt und verständlich die verschiedenen Facetten der Grundeinkommensdebatte und ermöglichen damit einen vielversprechenden Denkanstoss für eine gerechtere Gesellschaft.
Tobias Sennhauser