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Steht bald das bedingungslose Grundeinkommen in der Genfer Verfassung?

Nachrichten aus Genf

Der im Oktober 2008 von der Genfer Bevölkerung gewählte Verfassungsrat bereitet gegenwärtig die neue Kantons­ver­fassung vor. BIEN-Schweiz hat in diesem Zusammenhang zwei Verfassungsartikel für ein Grundeinkommen vor­ge­schla­gen: 

  1. «Alle BewohnerInnen von Genf haben  aufgrund ihrer Eigenschaft als Menschenwesen Anrecht auf die notwendigen Mittel für eine menschenwürdige Existenz..»
  2. «Der Staat setzt dieses Recht um durch nicht an Bedingungen geknüpfte Leis­tun­gen.»

Damit der Verfassungsrat einen solchen Antrag prüft, benötigt er 500 Unterschriften. Wir haben innerhalb von weniger als einem Monat 1876 Unterschriften gesammelt dank dem  überzeugten Einsatz der Mitglieder von BIEN und natürlich dank den Reaktionen der Bevölkerung auf diesen Antrag, die oft sehr positiv ausfielen. Der Verfassungsrat dürfte den Antrag im Lauf des Sommers prüfen.

Die Unterschriftensammlung lief im Monat Juni mit Standaktionen an verschiedenen Orten in der Stadt Genf. Sie erlaubte uns, die Reaktionen der Bevölkerung auf ein bedingungsloses Grundeinkommen zu testen vor dem Hintergrund der indi­vi­duellen und sozialen Anliegen der Betroffenen.

Das Grundeinkommenskonzept ist noch wenig bekannt, stösst aber spon­tan auf Interesse. Dass es bedingungslos ist, bedeutet eine Umkehrung der traditionellen Normen, die sich auf Rentabilität, Leistung und den Vorrang der Lohnarbeit abstützen.

Verschiedene Personen befürchteten Anreize zur Faulheit: «Ich weiss schon, wer davon nur profitieren wird und nichts mehr tut», «Ich will nicht für die anderen bezahlen.» Andere wieder waren grundsätzlich einverstanden mit einer Absicherung der Grundbedürfnisse jeder einzelnen Person, stiessen sich aber daran, dass das Grundeinkommen auch an die Reichen ausgeschüttet wird, die es gar nicht benötigen. Die Kritik am Grund­ein­kom­men brachte aber oft eher die Unzufriedenheit mit  der aktuellen Sozialversicherung zum Ausdruck, bei der die betreu­ten Menschen abhängig gehalten werden, was wegen der einzuhaltenden Bedingungen zu Missbräuchen führt.

Ein Hauptthema war natürlich die Finanzierungsfrage. Viele Menschen halten ein bedingungsloses Grundeinkommen für eine finanziell nicht realisierbare Utopie. Wenn man ihnen erklärt, dass es nicht darum geht, Unsummen an neuem Geld auszugeben, sondern vielmehr die Finanzleistungen der Sozialversicherungen anders zu organisieren mit einem neuen Steuersystem, mit dem der geschaffene Reichtum gerechter verteilt wird, stösst man aber schnell auf Zustimmung.

Die Gründe für die Befürwortung eines Grundeinkommens sind ganz unterschiedlich. Viele Leute sehen mit dem Grund­einkommen eine Möglichkeit, sinnvolle Tätigkeiten auszuüben, die heute keinen oder nur einen geringen Markt­preis haben und damit keine normale Lebensführung erlauben: persönliche Dienstleistungen, Kinder erziehen, kreativ aktiv zu werden oder im Handwerk, Engagement zugunsten des Umweltschutzes usw.

In vielen Fällen löste die Grundeinkommens-Idee den Wunsch nach einem anderen Leben aus, das weniger abhängig ist vom Wirtschaftsmarkt und bei dem im Zentrum der Gesellschaft die Achtung steht: die Selbstachtung, die Achtung der anderen und der Umwelt. Zahlreiche Personen wissen um die Notwendigkeit, eine Alternative zum aktuellen System zu finden, damit wir die Herausforderungen für unsere Gesellschaft und für jeden einzelnen bewältigen können mit der wirtschaftlichen und Umweltkrise. Kann nicht das Grundeinkommen einen Weg in diese Richtung bieten? Einen Bericht über unsere Aktion hat Helen Brügger in der Wochenzeitung vom 2. Juli geschrieben. Lesen Sie hierzu auch den Kommentar von Bernard Kündig: Einige Thesen zur Zukunft einer Utopie.

Kommentare

Bedingungsfreies Grundeinkommen und Verfassung

Schön, dass sich Genf einen Verfassungsrat gewählt hat!

Ähnliches brauchen wir für ganz Deutschland, die EU...

Also Bürger-Verfassungskonvente und Bürgersenate als 2. Kammer, wo nur Parteifreie agieren.

So wird auch die Verankerung des Grundeinkommens  schon bald möglich!

Daß neue Institutionen wie Bürgerkonvent und Bürgersenat sogar die wirtschaftliche Entwicklung fördern können, zeigt der Beitrag von Gerald Braunberger in der Zeitung am Sonntag (FAZ) vom 29.4.12  VIVE LA FRANCE!  VIVE  l'ALLEMAGNE.

Daß solche institutionalisierte Formen direkter Demokratie zudem das persönliche Glück steigern, zeigen Untersuchungen von Bruno Frey und anderen.

 

Einzelheiten auf meiner Webseite!    >Bürgersenat    >Verfassungskonvent...

 

Infos zum Stand des Grundeinkommens in Genf bitte an meine Mailadresse.

 

Merci!

 

http://ob-in-spe.de

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